Mittwoch, 23. Mai 2012

Hawai'i in der Champions League und andere Missverständnisse

Zeugnisschreibmittwoch - und das Internet funktioniert nicht. Ohne Leo sind meine Formulierungen ziemlich hölzern, ich rede leider noch nicht Zeugnisschreibsprache. Aber jetzt, Punkt 12:34 Uhr, springt es zum Glück wieder an und ich kann einen Post reinquetschen. Vor dem Fenster sitzt eine Frau auf der Bank und telefoniert so laut, dass ich sie bei geschlossenem Fenster und vorbeifahrendem Zug verstehen kann.

Hm, das hatte jetzt mit nichts etwas zu tun, aber auffällig ist es doch. Ich wohne immerhin im zweiten Stock!

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Obwohl ich noch nicht Zeugnisschreibsprache rede, werden die sprachlichen Missverständnisse hier immer weniger. Mittlerweile sind es nicht mehr die australischen Akzente, die ich kaum verstehe, sondern eher die englischen. Am Wochenende war ich Teil einer Diskussion über die Champions League und habe krampfhaft versucht, dem wiederholten Auftauchen von Hawai'i in dieser Diskussion Sinn abzuverlangen.
Erst als ich den Satzzusammenhang etwas genauer unter die Lupe nahm: home and Hawai'i, dämmerte mit, dass Londoner das 'a' vielleicht behaucht aussprechen und er damit 'home and away' meint, also Heimspiel und Auswärtsspiel. Es ist also mitnichten so, dass ein Fussballteam aus Hawai'i neu in der Champions League spielen würde. Das wäre ja auch recht ungewöhnlich.

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Aber darüber wollte ich eigentlich gar nicht schreiben, sondern über kulturelle Missverständnisse:
Vor einigen Monaten habe ich einen Massagegutschein geschenkt bekommen und ihn freudig eingelöst. Massagesalons gibt es in Melbourne in jedem grösseren Einkaufszentrum. Sie sind entweder im Eingang lokalisiert, so dass alle Vorbeilaufenden hinter grossen Schaufenstern sehen können, welche Art von Fuss- und Schultermassage sie erwarten würde, oder ein bisschen gediegener und versteckter, mit Vorhängen und Liegen, auf denen man auch eine Rückenmassage bekommen kann. Mein Gutschein war für einen der letzteren Salons, einen chinesischen, und ich habe etwas draufbezahlt, weil ich gerne eine Rückenmassage haben wollte.

Der schüchterne Masseur mit dem starken chinesischen Akzent hat mich daraufhin in eins der durch Vorhänge abgetrennten Kämmerchen geführt, mir einen Korb für Tasche und Schuhe gegeben und ist wieder rausgegangen, indem er den Vorhang sorgfältig hinter sich schloss.

Ich habe angefangen zu überlegen: In der Schweiz zieht man bei Rückenmassagen die Kleider aus, meistens sogar die Hose, weil der untere Rücken auch mitmassiert wird. Nun schien es mir aber irgendwie sehr unangemessen, die Hose auszuziehen. Und was ist mit dem T-Shirt? Ich überlegte hin und her, kam aber unter Zeitdruck, weil der Masseur jeden Moment wieder hineinzukommen drohte, und kam zum Schluss, dass er ja den Vorhang sicher nicht einfach so sehr sorgfältig geschlossen hat.  Ich zog also T-Shirt und BH aus und legte mich so schnell wie möglich auf die Liege.

Kaum kam der Masseur herein, wusste ich, dass ich einen Fehler gemacht hatte. Nicht, weil er es mich hat merken lassen. Er legte mit ein grosses Frottétuch auf den Rücken und begann mich mit Daumen, Handballen, Ellenbogen und Unterarmen, als wäre nichts aussergewöhnliches geschehen. Natürlich wäre es sehr unaustralisch (und wohl auch unchinesisch) gewesen, mich meinen Fehler merken zu lassen.

Ich lag auf der Liege und ärgerte mich. Ich wusste ja eigentlich, dass australische Oberschüler nicht duschen, sich in Einzelkabinen umziehen, um voneinander nicht gesehen zu werden, dass eine Australierin in Deutschland allerhöchstens allein in eine Sauna gehen würde, um sich zu überzeugen, dass da wirklich alle nackt sind, aber sicher nicht mit einer anderen Australierin, dass ich bei der Frauenärztin ein grosses Tuch in die Hand gedrückt bekomme und als ich sie frage, was ich damit tun soll, sagt sie mit bestürztem Gesicht: Bedeck dich damit, Sweetheart!

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Ich hätte es also wissen sollen. Weil die Massage so gut war, tue ich das Undenkbare und gehe ein paar Wochen später wieder hin. Der schüchterne Masseur ist am Empfang, ich werde aber, ob wegen meinem Faux-pas oder nicht, einer Masseurin zugewiesen. Mittlerweile wissen sie dort aber, dass ich mich nun an die unausgesprochenen Regeln halte, und rennen nicht mehr jedes Mal nach der Frau oder sagen, sie hätten zu viel zu tun, wenn diese nicht dort ist.

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